Die Situation: Bewegung und Wahrnehmung im Dunkeln
Stell dir ein Kind vor – es steht in einem ruhigen, leicht abgedunkelten Raum. Die Lichter sind aus.
Nur vereinzelt funkeln Leuchtpunkte oder reflektierende Elemente.
Keine Reize lenken ab.
Der Alltag bleibt draußen.
Und jetzt beginnt eine Reise durch den Raum, durch den eigenen Körper und durch die Sinne.
Das Kind erhält leistbare, freudige Bewegungsaufträge, etwa:
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„Gleite über den blauen Teppich wie ein Wal über das Meer.“
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„Finde das Bällebad. Hole zwei Bälle und bring sie sicher über die Rollenbahn zum Trampolin.“
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„Lass deinen Körper spüren, was unter deinen Füßen und Händen ist.“
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„Krieche unter den Tisch und erfühle, was dort versteckt ist.“
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„Wenn du fertig bist, klettere wieder auf die dicke Bohne und ruf: Ich habe es geschafft!“
Warum im Dunkeln?
Die pädagogisch-therapeutische Bedeutung
Die Dunkelheit als bewusst eingesetzter Reizfilter bietet Kindern:
Vorteil | Erklärung |
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🧠 Förderung der Wahrnehmung | Der Sehsinn wird reduziert – andere Sinne (Tiefensensibilität, Tastsinn, Gehör) werden stärker aktiviert. |
🦶 Körperwahrnehmung und Gleichgewicht | Kinder müssen sich auf ihren Körper verlassen. Das stärkt Eigenwahrnehmung, Motorik und Koordination. |
🎯 Fokussierung auf Aufgaben | Keine visuellen Reize lenken ab – Kinder hören, spüren, handeln konzentrierter. |
🧘 Selbstregulation & Vertrauen | Durch langsames Erkunden, Erfolgserlebnisse und wertfreie Umgebung stärken sich Selbstwirksamkeit und innere Sicherheit. |
🤹 Sensorische Integration | Die Vielzahl an Bewegungen (Schaukeln, Krabbeln, Rollen, Balancieren) aktiviert unterschiedliche Sinneskanäle gleichzeitig. |
🗣️ Sprachförderung | Gegenstände ertasten, benennen und beschreiben – ganzheitliche Sprachbildung eingebettet in Bewegung. |
Beispielhafter Ablauf (für 8–11-jährige Kinder)
1. Einstieg:
Kind klettert im Dunkeln auf die „dicke Bohne“ und wird mit ruhiger Stimme begrüßt.
2. Bewegung:
Es gleitet über den blauen Teppich, balanciert über eine weiche Rolle.
3. Sinnesreise:
Kriecht unter den Tisch, erfühlt ein Objekt (z. B. Holzfigur, Bürste, Kuscheltier), beschreibt es.
4. Zielorientiertes Handeln:
Sammelt Bälle, bringt sie zum Trampolin, legt sie in kleine Eimerchen.
5. Abschluss:
Klettert zurück, ruft „Ich habe es geschafft!“ – Abschlussritual.
Entwicklungsbereiche & Fachliche Zuordnung
Entwicklungsbereich | Geförderte Fähigkeiten |
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Sensorik & Motorik | Tiefensensibilität, Gleichgewicht, Körperkoordination, Bewegungsplanung |
Sprache | Benennung, Beschreibung, auditives Verstehen, Wortschatzerweiterung |
Kognition | Handlungsplanung, Raumorientierung, logisches Denken |
Emotionale Entwicklung | Selbstwirksamkeit, Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz |
Soziale Kompetenzen | Kooperationsfähigkeit (bei Partnerübungen), Empathie (z. B. „Kuschelstation“), Vertrauen in Erwachsene |
Aufmerksamkeit & Exekutive Funktionen | Impulskontrolle, Gedächtnis, Planung, Zielverfolgung |
Studien und Daten (vereinfachte Darstellung)
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Sensorische Integration: Kinder mit Lernproblemen zeigen in über 60 % der Fälle sensorische Verarbeitungsprobleme. Bewegungsbasierte Ansätze wie diese reduzieren Stressverhalten und steigern Lernbereitschaft (vgl. Ayres, 2005).
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Dunkelraumtherapie in Fördersettings: Pilotprojekte in sensorischen Lernräumen (z. B. Snoezelen) zeigen eine erhöhte emotionale Stabilität und Selbstregulationsfähigkeit nach nur 6–8 Sitzungen (Studie: Uni Münster, 2018).
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Ganzheitliches Lernen: Bewegungslernen verbessert nachgewiesenermaßen die Vernetzung im Gehirn (Damasio, 2014) – gerade bei Kindern mit LRS oder Konzentrationsproblemen besonders hilfreich.
„wundersam wirkend“
„Gerade Kinder mit besonderen Lernvoraussetzungen brauchen einen geschützten Raum, in dem sie spüren, was sie können – nicht, was sie nicht können.
Der Dunkelraum ist einer dieser magischen Orte, an dem das Selbstvertrauen wächst, die Sinne sich entfalten und Lernen durch Erleben geschieht.“
— Andrea Berghaus, integrative Lerntherapeutin